Prostatakrebs

Prostatakrebs (Prostatakarzinom, PCA): Bösartiger Tumor der Prostata (Vorsteherdrüse); inzwischen die häufigste Krebserkrankung beim Mann – bei jedem zehnten Mann wird im Laufe seines Lebens Prostatakrebs diagnostiziert – und die dritthäufigste Krebstodesursache. Die zunehmende Häufigkeit ist Folge der alternden Bevölkerung – es erkranken vor allem Männer zwischen 60 und 80 Jahren – und der verbesserten Früherkennung. Bei vielen vornehmlich älteren Patienten wächst der Krebs aber sehr langsam, so dass der Betroffene gar nicht am Prostatakrebs selbst stirbt – selbst dann nicht, wenn dieser unbehandelt bleibt.

Manchmal verursacht der Krebs zu Lebzeiten keinerlei Beschwerden und wird erst nach dem Tod bei einer Obduktion festgestellt; der Mediziner spricht dann von einem latenten Prostatakarzinom.

Leitbeschwerden

  • Häufigeres Wasserlassen
  • Abschwächung des Urinstrahls bis hin zum Harnverhalt (Unmöglichkeit des Wasserlassens)
  • Blutbeimengungen zum Sperma oder Urin
  • In fortgeschrittenen Stadien Rückenschmerzen, Knochenschmerzen, Müdigkeit und Gewichtsverlust

Wann zum Arzt

Sofort bei Harnverhalt, stark blutigem Urin und Nierenschmerzen in Verbindung mit Fieber.

In den nächsten Tagen, wenn die genannten Beschwerden weniger stark ausgeprägt sind.

Die Erkrankung

Prostatakrebs kann familiär gehäuft auftreten, so dass für die männlichen Verwandten eines betroffenen Familienmitglieds ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko besteht. Kürzlich haben Forscher sieben Genvarianten identifiziert, die das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken, entscheidend beeinflussen. 25 Prozent der familiär auftretenden Prostatakrebs-Fälle lassen sich auf diese Erbgutvarianten zurückführen. Verfügen Männer über eine dieser Varianten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Prostatakrebs bekommen, eher gering. Kommen alle Varianten zusammen vor, ist ihr Krebsrisiko jedoch deutlich erhöht. Zu weiteren Risikofaktoren zählen wahrscheinlich sexuelle Enthaltsamkeit (genauer gesagt, eher seltene Ejakulationen), eine Schwermetallbelastung z. B. mit Cadmium und eine Behandlung mit Testosteron. Letztere kann zwar keinen neuen Krebs auslösen, doch werden dadurch auch kleinste, bereits vorhandene Krebszellen zum Wachstum angeregt. Insgesamt haben jüngere Männer eher aggressive Tumorformen (kann nach der Gewebeentnahme vom Pathologen beurteilt werden), ältere im Schnitt eher langsam wachsende Tumoren.

Der Krebs entsteht zu etwa 80 % in den äußeren Anteilen der Prostatadrüsen. Beim Krebs tastet der erfahrene Arzt verhärtete Anteile und kann abschätzen, ob bereits ein Wachstum über die Prostatakapsel hinaus vorliegt.

Schreitet das Krebswachstum weiter voran, kommt es zur Metastasierung: Zuerst in den Lymphknoten des Beckens, dann entlang der Bauchschlagader, später – wenn die Krebszellen bereits in den Blutkreislauf eingebrochen sind – in den Knochen vor allem von Wirbelsäule und Becken und schließlich auch in Organen wie Lunge oder Leber.

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung. Der Prostatakrebs wird idealerweise im Rahmen der "Vorsorgeuntersuchung" in frühen Stadien ertastet. Da diese Untersuchung nur von etwa einem Fünftel der Männer wahrgenommen wird, wird die Diagnose nicht selten verschleppt.

Der Arzt tastet die Prostata auf verhärtete Anteile ab, bei Verhärtungen auch, um festzustellen, ob der Krebs bereits über die Prostatakapsel hinausgewachsen ist. Ergänzend führt er einen Transrektalen Ultraschall (TRUS) durch. Erkennbar ist hierbei, ob der Prostatakrebs bereits über die Vorsteherdrüse hinausgewachsen ist. Zusätzlich kann der PSA-Wert im Blut bestimmt werden – wenn ein erhöhter PSA-Wert vorliegt, werden weitere Kontrolluntersuchungen durchgeführt.

Beweisend ist in aller Regel die Prostatastanzbiopsie. Sie gibt Aufschluss darüber, ob Krebs vorliegt und wie aggressiv und ausgedehnt er ist. Aktuell empfehlen Experten die Entnahme von 10–12 Gewebeproben in der Erstbiopsie. Danach erhöht eine so genannte Sättigungsbiopsie mit etwa 20 Gewebeproben die Chance, Prostatakrebs zu entdecken.

Liegt nach der Prostata-Tastuntersuchung der Verdacht auf Krebs vor, werden die Kosten für die PSA-Bestimmung von den Krankenkassen übernommen (und auch bei der Nachsorge). Nur die PSA-Bestimmung ohne Krebs-Verdacht ist eine IGeL-Leistung – zu Recht, weil sie in ihrer Sinnhaftigkeit wissenschaftlich umstritten ist.

Steht die Diagnose "Prostatakrebs" fest, wird die Ausdehnung des Tumors ermittelt. Dies geschieht unter anderem durch eine Blasenspiegelung. Ein  Aussscheidungsurogramm wird durchgeführt, um den Harnleiterverlauf vor der Operation zu kennen. Um Knochenmetastasen ausschließen zu können, wird eine Skelettszintigrafie durchgeführt, d. h. es wird eine schwach radioaktive Substanz in eine Armvene gespritzt, um die Knochen auf vorhandene Metastasen zu untersuchen.

Problematisch beim Prostatakrebs ist, dass erst nach einer radikalen Prostatektomie anhand des entfernten Gewebes die genaue Ausdehnung des Krebses ermittelt werden kann. Sämtliche diagnostischen Verfahren erlauben nur eine ungefähre Abschätzung der Tumorgröße und somit des Krebsstadiums.

Weitergehende Untersuchungen wie ein CT des Beckens bleiben speziellen Fragestellungen vorbehalten, beispielsweise um zu beurteilen, wie weit die Metastasierung bereits fortgeschritten ist.

Therapie. Die traditionelle Behandlung früher Tumorstadien liegt in der operativen kompletten Entfernung von Prostata und Samenblasen (radikale Prostatektomie, radikale Prostataentfernung) oder in der Bestrahlung bei Patienten mit hohem Operationsrisiko.

Radikale Prostatektomie. Sie erfolgt meist über einen Unterbauchschnitt (Radikale retropubische Prostatektomie), seltener über einen Schnitt am Damm (Radikale perineale Prostatektomie). Zuerst werden die Lymphknoten entlang der Blutgefäße des Beckens entfernt. Der Pathologe untersucht die entnommenen Lymphknoten noch während der Operation.

  • Sind die Lymphknoten krebsfrei oder nur von wenigen Krebszellen befallen, wird die Operation planmäßig durchgeführt, das heißt die Prostata sowie ein Teil der Harnröhre und beide Samenblasen werden entfernt und die Samenleiter auf beiden Seiten unterbunden. Anschließend wird die Harnblase wieder verschlossen und mit der restlichen Harnröhre vernäht. Um die Naht zu stabilisieren, wird für etwa 5–10 Tage ein transurethraler Katheter in die Blase eingelegt.
  • Sind die Lymphknoten ausgedehnt von Krebszellen befallen, wird die Operation abgebrochen oder bei im CT erhobenen Befund gar nicht erst durchgeführt, da der Krebs durch die Operation nicht zu heilen ist. In diesem Fall schließt sich die Hormonentzugstherapie an.

Wurde die Prostata komplett entfernt, liegt das endgültige Ergebnis der Gewebeuntersuchung wenige Tage nach dem Eingriff vor. In einigen Fällen stellt der Pathologe erst jetzt fest, dass die Krebszellen nicht mehr nur auf die Prostata begrenzt waren, sondern bereits über die Prostatakapsel hinaus gewachsen sind (lokal fortgeschrittenes Prostatakarzinom). In diesem Fall wird zur Sicherheit einige Wochen nach der Operation eine zusätzliche Bestrahlung durchgeführt. Alternativ wird abgewartet und erst mit einer zusätzlichen Therapie begonnen, wenn der PSA-Wert wieder ansteigt, nachdem er nach der Radikalen Prostatektomie auf nahezu Null abgefallen ist.

Komplikationen. Die Heilungsraten nach der Radikalen Prostatektomie sind gut, doch drohen Spätfolgen, so bei ~ 70 % Impotenz und bei ~ 7 % eine Harninkontinenz. Studien haben dabei ergeben, dass die Komplikationsrate bei minimal-invasiver Operationstechnik höher ist als bei offenen Operationen. Versucht der Chirurg bei der Operation, die sehr nah an der Prostata liegenden „Erektionsnerven“ zumindest auf einer Seite zu schonen, so bleibt die Potenz des Patienten zwar häufiger erhalten – jedoch können dadurch Tumorreste im Körper verbleiben und es droht ein erneutes Krebswachstum.

Die mögliche Harninkontinenz ergibt sich aus der Operationsmethode, bei der der innere Blasenschließmuskel mitentfernt wird, der beim Mann normalerweise zusammen mit dem äußeren Blasenschließmuskel den Urin zurückhält. Um der Inkontinenz entgegenzusteuern, muss nun der äußere Schließmuskel gezielt durch Beckenbodengymnastik gekräftigt werden. Dennoch bleibt manchmal ein leichter Urinverlust dauerhaft bestehen. Umso wichtiger ist es, dass unmittelbar nachdem der transurethrale Katheter entfernt wurde, mit dem Beckenbodentraining unter ausführlicher Anleitung begonnen wird. Diese Aufgabe übernehmen meist Physiotherapeuten noch während des stationären Krankenhausaufenthalts. Danach ist in jedem Fall eine Anschlussheilbehandlung („Kur“) empfehlenswert: Hier hat der Patient bewusst Zeit zum Üben und ist unter der professionellen Anleitung auch konsequenter und motivierter.

Da die radikale Prostatektomie häufig die Lebensqualität der Patienten deutlich einschränkt, wurden in den letzten Jahren verstärkt andere Therapiemöglichkeiten entwickelt:

Brachytherapie. Bei wenig aggressiven Tumoren wird zunehmend eine schonende Form der Bestrahlung, die so genannte Brachytherapie (interstitielle Strahlentherapie) eingesetzt. Unter Narkose und meist ambulant wird dabei die Prostata mit radioaktiven Nadeln gespickt. Vorteile dieser Methode sind, dass die Bestrahlung gezielt von innen erfolgt, das umliegende Gewebe geschont wird und nur bei etwa 40 % der behandelten Patienten eine Impotenz auftritt.

Bei großen und aggressiven Tumoren, die eine höhere Strahlendosis erfordern, häufen sich jedoch bei der Brachytherapie wie auch bei der konventionellen Bestrahlung Nebenwirkungen wie chronische Darmentzündungen mit schmerzhaften Durchfällen, schmerzhafte abakterielle Blasenentzündungen (Strahlenblase) und erhöhtes Risiko für das Auftreten von Blasenkrebs.

Bereits im Jahre 2007 hatten Experten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) die Brachytherapie auf ihren Nutzen überprüft. Dass jene innere Bestrahlung anderen Verfahren bei Prostatakrebs überlegen ist, konnten die Experten damals nicht belegen. Auch neueste wissenschaftliche Untersuchungen ergaben keinen Nutzenvorteil. Patienten, die eine Brachytherapie erhalten, bleiben demnach weder länger krebsfrei noch sterben sie insgesamt später als alternativ behandelte Patienten.

Hormonentzugstherapie. In fortgeschrittenen Krebsstadien, wenn Metastasen bereits in Lymphknoten, Knochen oder inneren Organen vorliegen und wenn die radikale Prostatektomie nicht durchgeführt wurde, wird die Hormonentzugstherapie (Antiandrogene Therapie, chemische Kastration) eingesetzt. Dabei wird die Ausschüttung des männlichen Geschlechtshormons Testosteron blockiert, um die Rückbildung des Prostatakrebses zu erreichen. Entweder durch Antihormone, sogenannte GnRH-Analoga (LHRH-Analoga): sie wirken auf das Gehirn und unterdrücken das für die Testosteronausschüttung zuständige Hormon GnRH und werden dem Patienten alle drei Monate ins Bauchfettgewebe gespritzt. Oder das Hodengewebe, das für die Testosteronproduktion zuständig ist, wird operativ aus dem Hodensack geschält.

Als Nebenwirkungen treten oft – ähnlich den Wechseljahresbeschwerden der Frau – Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen und Müdigkeit auf. Leider passen sich die Krebszellen meist nach einigen Jahren an die veränderte Hormonsituation an und wachsen wieder – der Tumor wird „hormontaub“. Schreitet die Erkrankung noch weiter voran, bleibt nur noch die Chemotherapie oder die Bestrahlung, um den Verlauf zu verlangsamen.

Palliative (lindernde) Therapieverfahren. Erschwert der unheilbare und fortschreitend wachsende Prostatakrebs das Wasserlassen, können wie bei der Prostatavergrößerung die störenden Prostataanteile durch die Harnröhre entfernt werden (palliative TUR-P). Palliativ können auch Chemotherapie und Bestrahlung angewandt werden, z. B. wenn Metastasen das Skelett überziehen, wodurch das Tumorwachstum so weit wie möglich gestoppt wird. Zusätzlich eingenommene Bisphosphonate helfen, die Knochen zu stabilisieren.

Prognose

Ist der Tumor nur auf die Prostata begrenzt, gelingt meist die Heilung. Sind zusätzlich die Samenblasen befallen, beträgt die 10-Jahres-Überlebensrate immerhin noch 85 %, bei Lymphknotenbefall 55 %. Liegen bereits Metastasen außerhalb der Lymphknoten vor, beträgt sie nur noch ~ 5 %. Neueren Erkenntnissen zufolge verbessert sich die Prognose, wenn Patienten zusätzlich zur Standardtherapie Acetylsalicylsäure einnehmen – den Wirkstoff in Aspirin®. Demnach sank durch Aspirin® das Sterberisiko von 10 auf 4 Prozent. Bevor diese Behandlung allerdings künftiger Therapiestandard werden kann, sind noch weitere Studien notwendig.

Komplementärmedizin

Naturheilkundliche Behandlungsalternativen für Krebs sind ausführlich an anderer Stelle beschrieben. Die dort gegebene Empfehlung, dass die (schulmedizinische) Diagnose und Ersttherapie des Krebses auf keinen Fall verschleppt werden und naturheilkundliche Therapien nur ergänzend (komplementär) erfolgen sollen, gilt ohne Einschränkung auch für den Prostatakrebs.

Vorsorge

Aufgrund vieler Studien (z. B. von Moyad oder Deprimos) wird verschiedenen pflanzlichen Stoffen eine schützende Rolle vor Prostatakrebs zugeschrieben. Demnach ist die beste Vorbeugung vor Krebs eine ausgewogene Ernährung mit wenig Fleisch, dafür reichlich Sojaprodukten und pflanzlichen Fetten (die überwiegend z. B. Olivenöl statt Butter verwendet), viel Obst und Gemüse. Auch ein Glas Rotwein pro Tag soll durch die enthaltenen Antioxidanzien vor Prostatakrebs schützen. Hinweisen zufolge setzen auch die Spurenelemente Zink und Selen das Krebsrisiko herab.

Früherkennung. Aufgrund der Häufigkeit des Prostatakrebses sollte die Prostata vorsorglich im Rahmen der gesetzlichen Vorsorgeprogramme ab dem 45. Lebensjahr einmal jährlich per Tastuntersuchung gecheckt werden, um Gewebeveränderungen möglichst früh zu erkennen – leider nehmen bisher nur 20 % der Männer diese Möglichkeit der Krebsfrüherkennung wahr.

Eine andere Form der Vorsorge ist das PSA-Screening. Dabei wird der PSA-Wert im Blut bestimmt. Ist dieser erhöht, kann ein Prostatakarzinom vorhanden sein. Allerdings hat die Deutsche Gesellschaft für Urologie in ihren Richtlinien festgestellt, dass das PSA-Screening nicht geeignet ist, die durch Prostatakrebs verursachte Sterberate zu senken. Dies belegen mehrere Studien.