Hörsturz

Hörsturz: Ohne erkennbare Ursache plötzlich auftretende, in der Regel einseitige Innenohrschwerhörigkeit unterschiedlichen Schweregrads bis hin zur Ertaubung.

Der Hörsturz ist die häufigste Funktionsstörung des Innenohrs. Er kann sowohl den tiefen oder den mittleren bis hohen Frequenzbereich als auch das Gleichgewichtsorgan betreffen. Schätzungen zufolge erleidet in Deutschland etwa eine Viertelmillion Menschen pro Jahr einen Hörsturz, die meisten von ihnen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen, etwa 30 % der Patienten erleiden Rückfälle.

Meist lässt sich die Hörfähigkeit wiederherstellen. Besonders günstig ist die Prognose bei einer isolierten Hörminderung im Tief- oder Mittelfrequenzbereich und bei leichteren Hörverlusten – je stärker und höherfrequent der Hörverlust, desto schlechter ist die Prognose.

Ein Hörsturz ist ein so genannter Eilfall, aber kein Notfall. Ein Hörsturz sollte jedoch innerhalb von 24–48 Stunden von einem Arzt begutachtet und gegebenenfalls behandelt werden – am besten in einer HNO-Klinik. Danach sinken die Heilungschancen.

Leitbeschwerden

  • Plötzlich auftretende Schwerhörigkeit
  • Tinnitus
  • Oft Schwindel
  • Druck im Ohr, "Wattegefühl" im Ohr, taube Haut in der Umgebung des Ohrs

Wann zum Arzt

Innerhalb der ersten zwei Tage, wenn der Verdacht auf Hörsturz vorliegt.

Die Erkrankung

Im Gegensatz zur allmählichen Entwicklung der Altersschwerhörigkeit ist der Hörsturz ein plötzliches Ereignis, bei dem die Hörverschlechterung oder sogar Ertaubung binnen Sekunden bis Stunden eintritt. Fast immer ist nur ein Ohr betroffen. Die Hörverschlechterung betrifft häufig die hohen Töne (Hochtonverlust). Dem eigentlichen Hörverlust geht oft ein Druck- oder Wattegefühl im Ohr voraus. Ist das Gleichgewichtsorgan mitbetroffen, besteht auch Drehschwindel. Fast immer treten beim Hörsturz auch Ohrgeräusche (Tinnitus) auf. Untypisch sind dagegen Ohrenschmerzen.

Als Ursache für einen Hörsturz werden Durchblutungsstörungen im Innenohr angenommen, bedingt durch eine Verengung der Blutgefäße und/oder eine geminderte Fließfähigkeit des Bluts. Dies würde auch erklären, warum die Heilungschancen bei älteren Menschen oder Diabetikern in der Regel schlechter sind, da diese Personengruppen häufig unter Durchblutungsstörungen leiden. Auffällig ist, dass chronischer Stress das Auftreten eines Hörsturzes fördert. Entsprechend trifft der Hörsturz oft besonders aktive Menschen, die dazu neigen, sich und ihren Körper bis an die Grenzen zu fordern. Der konkrete psychosomatische Zusammenhang liegt aber noch im Dunkeln. Fast immer erholt sich die Hörfunktion des betroffenen Ohrs, nur in 25 % der Fälle bleibt ein Hörschaden zurück. Als ungebetener Gast bleibt aber in 50 % der Fälle ein Tinnitus zurück, der die Lebensqualität stark beeinträchtigen kann.

Rückfälle haben eine wesentlich schlechtere Prognose.

Das macht der Arzt

Die Untersuchung beginnt mit einer Inspektion des Gehörgangs, um einen Ohrenschmalzpfropf auszuschließen. Anschließend bestimmt der Arzt den Hörverlust mit einem Tonaudiogramm. Dies wird nach 8 und 14 Tagen wiederholt, um die Erholung der Hörfunktion zu dokumentieren.

Das größte Problem bei der Hörsturzbehandlung ist, dass sich die Ursache der Erkrankung oft nicht eindeutig klären lässt. Bei mindestens 75 % der Patienten verbessern sich die Beschwerden spontan innerhalb von wenigen Stunden bis maximal 14 Tagen – die Datenlage ist hier jedoch nicht eindeutig. Diese hohe Spontanheilungsrate macht die evidenzbasierte (beweisgesicherte) Therapieentscheidung schwierig. Die Deutsche Gesellschaft für HNO-Heilkunde empfiehlt derzeit eine Behandlung mit Kortison und durchblutungsfördernden Medikamenten (Ginkgo biloba oder Pentoxifyllin, z. B. in Trental®). Das Kortison soll eventuell vorhandene Schwellungen oder Entzündungen abklingen lassen; es wird über 10–15 Tage in abnehmender Dosierung eingenommen.

Von den früher üblichen und teilweise immer noch eingesetzten Infusionen mit durchblutungsfördernder Hydroxyäthylstärke (z. B. HAES®) wird überwiegend abgeraten, da der Nutzen nicht gesichert ist und unter anderem monatelanger Juckreiz als Langzeitnebenwirkung drohen.

Selbsthilfe

Wie ein Hörsturz genau funktioniert, hat die Wissenschaft noch nicht verstanden, aber fast immer sind die Betroffenen – bildhaft gesprochen – mit Vollgas durchs Leben gefahren und auf einmal hat der für sie empfindlichste Teil des Gehirns seinen Dienst verweigert. Entscheidend ist, damit richtig umzugehen, und das heißt konkret die Wiederherstellung der Innenohrfunktion zu unterstützen, die Ausbildung eines Tinnitus zu unterbinden und Rückfälle zu verhindern.

Wiederherstellen der Hörfunktion. Auch wenn Sie sich in den ersten Tagen nach dem Hörsturz nach unbedingter Ruhe sehnen, ist Stille eher ungünstig für das Ohr, denn sie fokussiert die Aufmerksamkeit des Gehirns auf die selbsterzeugten Signale (das Grundrauschen) und fördert somit einen späteren Tinnitus.

Lärmquellen abstellen. Auf der anderen Seite sollten Sie aber Lärmbelästigungen strikt meiden. Dies ist dann ein Problem, wenn Sie z. B. Kleinkinder zu versorgen haben, die auf dem Wickeltisch schreiend die Lärmspitzen eines Presslufthammers erreichen. Seien Sie hier konsequent und sorgen Sie für eine Aushilfe. Ersatzweise schaffen Lärmstöpsel (wie Ohropax®), die es in jeder Apotheke gibt, vorübergehende Abhilfe. Zum Telefonieren sollten Sie das gesunde Ohr benutzen oder ein Headset mit Kopfhörer anschaffen, womit Sie eine einseitige Belastung des kranken Ohrs ebenfalls vermeiden. Und wenn es ansonsten ruhig ist, z. B. in der häuslichen Umgebung, ist leise Musik eine gute Sache. Manche Autoren empfehlen sogar bestimmte Komponisten wie z. B. Mozart, wobei man sich durchaus an persönlichen Vorlieben orientieren darf.

Neu hören lernen. Wenn Ihr Hörsturz ausgeprägt war, verändern sich die Signale, die das betroffene Innenohr Richtung Gehirn sendet, auf Dauer. Das können Sie leicht überprüfen, indem Sie den Telefonhörer während eines Telefonats abwechselnd an das gesunde und an das geschädigte Ohr halten – Sie werden merken, dass sich die Stimme am anderen Ende der Leitung unterschiedlich anhört. Damit hängt zusammen, dass sich möglicherweise Ihr räumliches Hören – also die Fähigkeit, eine Stimme zu orten, aber auch störende Geräusche (etwa telefonierende Kollegen im Büro) auszublenden – verschlechtert hat. Auch hier regeneriert sich das Ohr oder besser gesagt das Gehirn wieder, aber das dauert viel länger als die Rückkehr der reinen Hörleistung, nämlich 6–18 Monate. In diesen Monaten sollten Sie Ihre Ohren konsequent schützen. Wann Sie es genau schützen müssen, finden Sie selbst am besten heraus, indem Sie darauf achten, nach welchen „Stressoren“, wie die Ärzte sagen, Ihr Tinnitus stärker oder Ihre Lärmtoleranz noch geringer wird.

Tinnitus bekämpfen. Wenn Sie Ohrklingeln haben und es eventuell schon vor dem Hörsturz hatten (was ein schlechtes Zeichen ist), müssen Sie das sehr ernst nehmen. Aber eben nicht, indem Sie sich darauf konzentrieren, sondern indem Sie lernen, es wie ein lästiges Insekt zu ignorieren (wie das geht, ist bei der Selbsthilfe zum Thema Tinnitus erklärt).

Nicht bagatellisieren. Hörstürze werden von vielen verniedlicht, selbst Ärzte tendieren dazu, nach ein oder zwei Wochen zur Rückkehr an den Arbeitsplatz, ins Büro oder zur Familie zu raten. Aus Sicht der Betroffenen ist das nicht ungefährlich: Ähnlich wie nach einem Herzinfarkt brauchen Sie auch nach einem Hörsturz Zeit, um Ihr Leben zu reorganisieren. Zeit für sich, die Prioritäten im Leben zu überdenken, aber auch Zeit fürs Gehirn und das betroffene Ohr, das richtige Hören wieder zu lernen. Lassen Sie sich krankschreiben und sorgen Sie am Arbeitsplatz (oder zu Hause) für mindestens vier Monate für Entlastung. Am besten ist es, wenn Sie dies mit dem Arbeitgeber offen besprechen.

Rückfälle verhindern. Ein knappes Drittel der Betroffenen erleidet wiederholt Hörstürze, entsprechend wichtig ist die konsequente Vorbeugung. An erster Stelle steht das Ausschalten aller bekannten Risikofaktoren für Durchblutungsstörungen. Deshalb sollte jeder, der unter Bluthochdruck und/oder erhöhtem Cholesterinspiegel leidet, die von seinem Arzt empfohlenen medikamentösen und nicht medikamentösen Maßnahmen einhalten. Außerdem sollten Sie auf Rauchen und übermäßigen Alkoholgenuss verzichten und versuchen, Stress abzubauen. Auch regelmäßiger moderater Ausdauersport wie Joggen, Radfahren und Nordic Walking ist empfehlenswert.

Komplementärmedizin

Akupunktur und Homöopathie können eine Option sein, wenn wiederholt Hörstürze auftreten, als Akuttherapie können sie nach derzeitigem Erkenntnisstand jedoch nicht empfohlen werden.