Einnässen

Beim Einnässen (Enuresis) ist ein Kind auch nach seinem fünften Geburtstag noch nicht trocken, entweder nur während der Nacht (Enuresis nocturna) oder auch bei Tag (Enuresis diurna). Vor allem das nächtliche Einnässen ist sehr häufig: Etwa 10 % aller Siebenjährigen sind nachts noch nicht trocken.

Abzugrenzen ist das Einkoten (Encopresis), dem meist schwere psychische Störungen des Kindes zugrunde liegen, und das andere Ursachen hat als das Einnässen.

Leitbeschwerden

  • Häufigeres unwillkürliches Einnässen nach dem fünften Geburtstag
  • Kein Nachweis organischer Erkrankungen

Wann zum Arzt

Bei Gelegenheit, wenn Ihr Kind häufiger einnässt.

In den nächsten zwei bis vier Wochen, wenn Ihr Kind erneut regelmäßig einnässt, obwohl es vorher schon trocken war.

Heute noch, wenn

  • Ihr Kind große Mengen Urin lässt, auffällig viel trinkt und sich sein Allgemeinbefinden in letzter Zeit verschlechtert hat; dies weist z. B. auf Diabetes hin.
  • Ihr Kind wieder einnässt und es gleichzeitig Fieber oder neuartige Beschwerden beim Wasserlassen hat; dies weist auf einen Harnwegsinfekt hin.

Die Erkrankung

Einnässen gehört zur normalen kindlichen Entwicklung: Bis die Kontrolle über die Blase zuverlässig klappt, geht mancher Schwall daneben. Gerade im Kindergartenalter wird das „Geschäft“ wegen eines spannenden Spiels oft so lange aufgeschoben, bis es zu spät ist. Oder das Kind will auch wieder so klein und umsorgt sein wie das frisch geborene Geschwisterkind. Entsprechend schwierig ist es, eine genaue Grenze festzulegen, ab der Einnässen nicht mehr normal ist. Die meisten Mediziner sprechen erst von Einnässen, wenn ein Kind nach dem fünften Geburtstag noch nicht trocken ist. Andere Mediziner setzen die Grenze für das Sauberwerden über Tag auf den vierten und für die Nacht auf den sechsten Geburtstag fest. Gelegentliche „Unfälle“ kommen auch bei älteren Kindern immer wieder mal vor und sind kein Grund zur Besorgnis.

Die häufigste Form des Einnässens ist das Einnässen ausschließlich in der Nacht (Enuresis nocturna). Das Kind – meist handelt es sich um einen Jungen – „wird einfach nicht trocken“, ist aber ansonsten völlig unauffällig. Was genau zugrunde liegt, ist unbekannt, genetische Einflüsse sind jedoch sicher von Bedeutung (oft hatte z. B. der Vater auch Probleme mit dem nächtlichen Trockenwerden).

Nur bei wenigen Kindern sind andere Faktoren von Bedeutung:

  • Bei manchen Kindern, vor allem solchen, die vorzugsweise am Tag einnässen, ist die Blasenkontrolle unzureichend (funktionelle Blasenfunktionsstörung). Die betroffenen Kinder (oft Mädchen) haben aufgrund eines unzureichenden Zusammenspiels der an der Blasenentleerung beteiligten Muskeln einen häufigen, schnell einsetzenden Harndrang.
  • Das Einnässen eines vormals „trockenen Kindes“ ist oft die Folge psychischer Belastungen – von der Geburt eines Geschwisterkindes über Partnerprobleme der Eltern bis zur schulischen Überforderung.
  • Auch organische Störungen können selten einmal zu einem unwillkürlichen Urinabgang führen, wie etwa Fehlbildungen der Harnleiter oder des Rückenmarks, Harnwegsinfektionen oder Diabetes.

Das rät der Arzt

Die meisten Kinderärzte raten dazu, regelmäßiges Einnässen nach dem fünften Geburtstag durch eine gründliche körperliche Untersuchung (evtl. auch Urin- und Ultraschalluntersuchungen) zu klären. Die Eltern und das Kind führen zudem ein Miktionsprotokoll über das Wasserlassen (= Miktion) und die „Unfälle“.

  • Schimpfen, Bloßstellen oder Bestrafen helfen nicht. Die meisten Kinder leiden unter dem Einnässen ebenso wie ihre Eltern. Auch das viel geübte ein- oder zweimalige Wecken in der Nacht hat sich als eine überwiegend unwirksame Tortur erwiesen. Unterstützen Sie das Selbstwertgefühl des Kindes, indem Sie offen über das Einnässen reden und ihm dabei vermitteln, dass es nichts „falsch“ macht.
  • Große Trinkmengen nach dem Abendessen sollten vermieden werden. Ein radikales Trinkverbot ab 16 oder 17 Uhr bringt jedoch weder nennenswerte Erfolge noch ist es eine dauerhafte Lösung.
  • Bei Kindern bis sechs Jahren, die nur nachts einnässen, ist es oft das Beste, eine waschbare wasserdichte Unterlage ins Bett zu legen, bügelfreie Bettwäsche zu benutzen und ansonsten einfach abzuwarten.
  • Bei einem Teil der Kinder hilft ein Sonne-und-Wolken-Kalender, bei dem „trockene“ Nächte mit einer Sonne und „nasse“ mit einer Wolke gekennzeichnet werden. Kleine Belohnungen, z. B. ein Gummibärchen oder ein Sticker, können die Motivation des Kindes unterstützen.
  • Löst sich das Problem bis zum sechsten Geburtstag nicht von selbst oder ist ein Fünfjähriger sehr motiviert, kann als nächster Schritt die Verwendung einer Klingelhose oder einer Klingelmatte versucht werden. Ein in der Hose oder im Bett angebrachter Sensor löst bei Feuchtigkeit einen Klingelalarm aus und weckt das Kind. Mit der Zeit soll das Kind lernen, die volle Blase selbst wahrzunehmen und rechtzeitig zur Toilette zu gehen. Die ersten Wochen können wegen der häufigen nächtlichen Klingel-Alarme auch für die Eltern recht anstrengend sein.
  • Überbrückend, z. B. auf einer Klassenfahrt, kann die abendliche Einnahme eines DDAVP (Desmopressin, Minirin®) angebracht sein. Es handelt sich dabei um einen Abkömmling des natürlichen Hormons ADH, das die Urinbildung hemmt. Es steht als Tablette zur Verfügung und reduziert die Urinmenge. Die Anwendungsvorschriften müssen genau eingehalten werden; Rückfälle nach Absetzen des Medikaments sind leider häufig.

Prognose

Das wichtigste Ziel der „Behandlung“ sollte sein, aus dem Problem Einnässen nicht noch größere Probleme wie ein geknicktes Selbstwertgefühl, Familienärger oder seelischen Rückzug werden zu lassen. Pro weiterem Jahr werden 10–15 % der betroffenen Kinder auch ohne weitere Maßnahmen beschwerdefrei.

Komplementärmedizin

Angeboten werden Akupunktur sowie pflanzliche und homöopathische Arzneimittel, die je nach Begleitsymptomen gewählt werden. Die Wirkungen sind nicht nachgewiesen.